Die Weltwirtschaft leidet unter der Coronakrise, und viele Aktienkurse haben eine regelrechte Achterbahnfahrt hinter sich. Was können Aktionäre jetzt tun? Sich an bekannten Börsenweisheiten orientieren wie „Kaufe bei schlechten Nachrichten, verkaufe bei guten Nachrichten“ oder etwa doch ins „fallende Messer greifen“? Wir haben überprüft, wie viel Wahrheit in solchen Sprüchen steckt, und fünf Börsenweisheiten genauer beleuchtet.
Börsenweisheiten
Das steckt hinter den Redewendungen.
Weisheit #1: Sell in May and go away (but remember to come back in September)
Bedeutung: „Verkaufe im Mai, aber vergiss nicht, im September wiederzukommen.“ Meist ist nur der erste Teil dieser Börsenweisheit bekannt. Dabei ist sie ohne den zweiten Teil bedeutungslos. Hier geht es nämlich um den richtigen Zeitpunkt zum Verkauf – aber auch um den günstigen Zeitpunkt zum Kauf beziehungsweise zum Wiedereinstieg. Im Original heißt der Spruch eigentlich: Sell in May and go away until St. Leger Day. Er bezieht sich auf Londoner Händler, die sich ab Mai mehr um die im Sommer populären Pferdewetten als ums Geschäft kümmern. Das letzte große Rennen der Saison ist dann am St. Leger Day im September. Ist das Rennen vorbei, so die Weisheit, soll es wieder aufwärts gehen, weil dann das Geld am Aktienmarkt und nicht in Pferdewetten investiert wird.
Wahrheitsgehalt: Begründet wird diese Börsenweisheit unter anderem oft damit, dass die Anleger zu Jahresbeginn oftmals mehr Budget haben, um Aktien zu kaufen. Kommt es dann aber nicht zu den erwarteten Gewinnsteigerungen der Unternehmen, führt dies oftmals zu Verkäufen. Hinzu kommt, dass die Sommermonate häufig eine geringere Handelsaktivität aufweisen oder Anleger sich von Aktien trennen, damit sie nicht über den Urlaub hinweg unnötige Risiken eingehen. Dass es im Herbst wieder rosiger aussieht, kann damit zusammenhängen, dass die Kurse günstiger geworden sind oder die Unternehmen sich optimistischer für das nächste Jahr äußern, was den Kursen Auftrieb gibt. Langfristige Studien zeigen, dass es eine solche Saisonalität in der Kursbewegung an den Börsen gibt. Beim Deutschen Aktienindex DAX beispielsweise ist eine ausgeprägte Schwäche in den beiden Sommermonaten August und September feststellbar – und nicht im Mai, wie es die Börsenweisheit weismachen will.
Fazit: Fakt ist, es gibt eine Saisonalität an den Börsen. Aber diese kann je nach Jahr oder Region auch mal anders ausfallen. Blind darauf zu setzen ist für Anleger darum nicht ratsam, aber sie gänzlich außer Acht zu lassen ist auch nicht empfehlenswert.
Weisheit #2: Der Trend ist dein Freund
Bedeutung: Diese Börsenweisheit besagt, dass es nicht immer ratsam ist, Aktien, deren Kurse schon stark gestiegen sind, zu verkaufen oder Aktien zu kaufen, die schon stark gefallen sind. Stattdessen sollten Anleger abwarten, bis sich ein Trend herausgebildet hat und diesem Trend folgen. Denn er ist ein Indiz dafür, wie das Gros der Anleger handelt. Hat sich ein Trend herausgebildet, können Börsianer davon ausgehen, dass dieser Trend oft erstaunlich langlebig ist und weitere Gewinne eingestrichen werden können, wenn dem Trend gefolgt wird. Ein Beispiel ist die Kursrallye der Internetaktien in den vergangenen Jahren.
Wahrheitsgehalt: Für diese Börsenweisheit lassen sich oft gute Beispiele finden. Zudem verdeutlicht dieser Spruch, dass es sich als Einzelaktionär selten lohnt, gegen einen starken Trend zu handeln. Dennoch sollten Aktieninvestoren von Fall zu Fall prüfen, ob es vielleicht doch besser ist, gegen einen Trend zu handeln. Denn Anleger neigen zur Übertreibung – so kann ein Trend auch dann noch anhalten, wenn er von den wirtschaftlichen Zahlen her nicht mehr gerechtfertigt ist.
Fazit: Auch wenn der Spruch „Der Trend ist dein Freund“ als Kompass dienen kann, sollten Investoren stets jeweils überprüfen, ob die wirtschaftlichen Kennzahlen den Trend noch unterstützen oder ob sich bereits eine spekulative Blase gebildet hat, die zu platzen droht.
Weisheit #3: Kaufe bei schlechten Nachrichten, verkaufe bei guten Nachrichten
Die Bedeutung dieser Börsenphrase liegt auf der Hand: Anleger sollen in Krisenzeiten, wenn die Kurse in der Panik einbrechen, Aktien günstig kaufen und sie bei positiven Nachrichten teuer verkaufen. Die Börsenweisheit macht auch deutlich, dass Anleger oft in Erwartung einer bestimmten Entwicklung handeln. Das heißt zum Beispiel: Wenn sie von einem Unternehmen erfreuliche Nachrichten erwarten, kaufen sie die Aktien schon vorher. Der Kurs steigt dann bereits vor dem Tag, an dem das Unternehmen mit der erfreulichen Nachricht herauskommt und an dem Anleger schon wieder Gewinne mitnehmen, weshalb der Kurs dann fällt.
Wahrheitsgehalt: Diese Börsenweisheit geht angeblich auf den Bankier Nathan Rothschild zurück. Der Baron soll 1810 gesagt haben: „Buy on the sounds of cannons, sell on the sounds of trumpets.“ Zu Deutsch: „Kaufe beim Donnerhall von Kanonen und verkaufe beim Klang von Trompeten.“ Wenn also Länder im Krieg sind, ist ein guter Moment zum Kauf von Wertpapieren, in Friedenszeiten ist aber eher ein Verkauf angesagt. Diese Strategie wird auch „Contrarian“-Strategie genannt. Sie besagt also, das Gegenteil dessen zu tun, was die breite Masse an Investoren macht.
Fazit: Hier ist ein kühler Kopf gefragt. Kursrückschläge können einen guten Einstiegszeitpunkt darstellen – doch es gibt keine Erfolgsgarantie. Für den breiten Markt trifft dies in der Regel zwar zu, aber es kann viel Geduld nötig sein, da die Kurse nach dem Kauf in einer Krise zunächst noch weiter fallen können, bis sie sich erholen und sich der Kauf auszahlt. Bei Einzeltiteln ist Vorsicht angezeigt. Zudem fallen bei jedem Kauf und Verkauf Gebühren an. Auch sollten Anleger beachten, dass sie beim schnellen Umschichten im Depot möglicherweise auf die Dividende verzichten, die in der Regel einmal jährlich von der Aktiengesellschaft gezahlt wird und meist ein wesentlicher Beitrag in der Rendite einer Aktienanlage ist.
Weisheit #4: Greife nicht in ein fallendes Messer
Bedeutung: Wörtlich betrachtet trifft diese Börsenweisheit in Gänze zu, schließlich wird niemand versuchen, ein fallendes Messer in der Luft aufzufangen. Stattdessen warten wir, bis es am Boden liegt und greifen erst dann danach. Übertragen auf die Aktienmärkte hat dieser Spruch eine ganz ähnliche Bedeutung: Fallen die Kurse, sollten Anleger nicht sofort zugreifen, nur weil diese oder jene Aktie etwas billiger geworden ist. Stattdessen ist es ratsam abzuwarten, bis der Abwärtstrend gestoppt ist.
Wahrheitsgehalt: Diese Börsenweisheit hat sich in den vergangenen Jahren zwar durchaus bewahrheitet. Vor allem die sinkende Kursentwicklung bei Technologieaktien in der Dotcom-Krise um die Jahrtausendwende war ein mahnendes Beispiel dafür, dass Anleger diese Titel nicht voreilig kaufen sollten, da deren Kurse immer weiter gefallen sind. In der jüngsten Coronakrise, die zu Abverkäufen an der Börse geführt hat, konnten sich die Technologietitel aber recht schnell wieder erholen. Hier hätte die Börsenweisheit nicht zum richtigen Anlegerergebnis geführt.
Fazit: Im Grunde richtig. Jedoch weiß niemand, ob und wann ein Kursverfall endet und die Trendwende eingeleitet wird – das zeigen die Beispiele aus der Vergangenheit. Sobald eine tatsächliche Trendwende bevorsteht, ist es möglicherweise schon wieder zu spät, um noch günstig einsteigen zu können.
Weisheit #5: Kaufe bei Gerüchten, verkaufe bei Fakten
Bedeutung: Dieser Spruch besagt einerseits, dass Gerüchte etwa um mögliche Übernahmen oder Gewinnentwicklungen von Unternehmen die Fantasie der Anleger und damit die Kursentwicklung beflügeln. Andererseits beinhaltet diese Börsenweisheit aber auch, dass mit Bekanntwerden der Fakten die Anleger sozusagen als Bestätigung ihrer Einschätzung die erzielten Gewinne mitnehmen – oder aus Enttäuschung, wenn das Gerücht nicht eingetreten ist, die Aktie verkaufen.
Wahrheitsgehalt: Gerüchte sind auf allen Märkten, und damit auch auf Wertpapiermärkten, oft ein Mittel von interessierter Seite, um einen gewünschten Effekt und damit Preis erzielen zu können. Sie haben einen großen Einfluss auf die Kursentwicklung und können eine (strafbare) Kursmanipulation darstellen. Beispielsweise hat ein Tweet von Tesla-Gründer Elon Musk, in dem er behauptete, den E-Autobauer von der Börse nehmen zu wollen, für Irritationen und Kursverluste gesorgt. Die US-Börsenaufsicht schritt wegen des Verdachts der Marktmanipulation ein.
Fazit: Im Internet werden häufig gezielt Gerüchte und falsche Tatsachen zu Unternehmen verbreitet, um deren Aktienkurs zu beeinflussen. Für Anleger ist es extrem schwer zu überprüfen, ob an den Gerüchten „etwas dran“ ist. Anleger sollten sich deshalb nicht von der Gerüchteküche beeinflussen lassen und stattdessen ihr Depot langfristig ausrichten.